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      "Das ist alles bierernst"

      Superpunk aus Hamburg erfindet den Polit-Rock neu

      Die Hamburger Band Superpunk hat mit ihrer zweiten Platte "Wasser marsch" (L'Age D'Or/Zomba) ein kleines Wunder vollbracht: Musik mit politischen Texten, die trotzdem ganz altmodisch rockt. Und die Songs von Sänger und Gitarrist Carsten Friedrichs, in denen der Kraftfahrer den Fabrikanten zur Rede stellt, in denen Freundschaft und Solidarität beschworen werden.


      Kann man heute noch politische Musik machen?
      Friedrichs: Was heißt: Man kann? Man singt halt über Sachen, die einen beschäftigen. Das ist erst mal egal, ob das politisch oder privat ist. Ich sehe unsere Musik auch nicht als explizit politisch, auch wenn es uns schon öfter passiert ist, dass wir mit Ton Steine Scherben verglichen worden sind. Dabei haben wir eher englische und amerikanische Musik gehört als die Scherben. Eher haben und Jam, Smiths oder Kinks beeinflusst.

      Viele Songs wirken trotzig. Sind sie deshalb politisch, weil es sonst niemand ist?
      Friedrichs: Wir machen es auch, weil alle anderen es nicht machen, weil es überall negiert und abgelehnt wird. Politisch zu sein, wird uncool empfunden. Es ist aber mal wieder an der Zeit, sich über solche Sachen Gedanken zu machen und Popsongs darüber zu schreiben. Ich mache mir keine Illusionen darüber, dass man mit so einer Popplatte irgendwas verändern kann. Das ist eher ein innerer Zwang.

      Sie müssen also darüber schreiben?
      Friedrichs: Ich will mich nicht wohl dabei fühlen, irgendwelche Sachen zu singen, die keiner versteht, oder die belanglos sind oder die mich nicht beschäftigen. Da mache ich einfach nicht mit.

      Ein Song wie "Neue Zähne" ist aber ironisch.
      Friedrichs: Das ist nicht ironisch gemeint, das ist die Realität. Die Geschichte von "Neue Zähne für meinen Bruder und mich" ist aus einer Meldung aus einer Hamburger Tageszeitung. Da hat so ein Typ mit seinem Bruder zusammen einen anderen entführt, weil er Geld brauchte, um seine Zähne zu sanieren. Daraus haben wir halt einen Song gemacht. Das ist ein schweinisches Land, und dann erkennst du die Armen daran, dass sie keine Zähne mehr im Maul haben. Mir war das einen Song wert. Ja, das scheint nicht so leicht vorstellbar zu sein, dass man mal was nicht ironisch meint. Aber an uns nichts ironisch. Das ist alles bierernst.

      Ist das ein Reflex auf die Hamburger Schule, auf en Deutschen Hip-Hop, der sich immer lustig und ironisch gibt?
      Friedrichs: Deutscher Hip-Hop ist mir meistens zu humorig. Aber ich habe auch ein Problem mit vielen deutschen, gerade mit Hamburger Bands. Ich finde die Musik ziemlich gut, aber ich verstehe die Texte einfach nicht, und ich bin mir sicher, ich bin nicht der einzige, dem das so geht.

      Wo bleibt da der Spaß?
      Friedrichs: Wir wollen natürlich keinen Volkshochschulkurs machen. Wir wollen gute Popsongs schreiben, wir wollen gute Texte machen, und wenn wir live spielen, dann soll das rocken.

      Kann man mit Pop wirklich Inhalte transportieren, oder werden die Inhalte nicht automatisch entwertet, wenn man sich ins Musikgeschäft begibt?
      Friedrichs: Das würde ich nicht sagen. Man will ja Musik machen und will, dass möglichst viele Leute das hören. Dazu braucht man halt bestimmte Hilfsmittel wie Radio oder eine Plattenfirma. Insofern gesehen gibt es nun mal kein richtiges Leben im falschen.

      Überrascht es Sie, dass viele Euch missverstehen und glauben, dass ihr Eure Texte nicht vollkommen ernst meint?
      Friedrichs: Das ist mir schon öfter passiert und das überrascht mich schon. Ich kann mir das nur dadurch erklären, dass so viele Leute so etwas in Deutschland noch nicht gemacht haben. Für mich ist das aber was vollkommen normales. Bei "The Jam" heißt es, man soll sich nicht beschweren, wenn man nur noch zwei Tage zu leben hat, das wäre immer noch ein Tag mehr als für jemanden in Zaire. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, zu fragen, ob das lustig oder ironisch gemeint ist. Das spricht doch für sich.

      Gibt es also noch Hoffnung, die Menschen aufzurütteln und zu bewegen?
      Friedrichs: Man wehrt sich natürlich dagegen, wenn das pathetisch so an einen herangetragen wird. Aber: Ja, die Hoffnung ist da. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Sie werden niemals siegen.

      Thomas Winkler
      ["Neue Westfälische", 14. April 2001]